Die Ghettoboxer von Halle

Boxen war schon immer ein Sport von Underdogs. Seit acht Jahren befindet sich in einem baufälligen Abrisshaus in Halle an der Saale ein Boxcamp, in dem sich junge Männer im wahrsten Sinne des Wortes aus den schlechten Verhältnissen ihres Lebens herausboxen können. Wer kann, haut ab. Wer hierbleibt, muss sich mit dieser Stadt arrangieren. „Hier hat man nichts“, sagt Sven Haselhuhn und blinzelt in die Sonne. Während die anderen eine Runde um den Block joggen, sitzt er in einem alten Sessel vor dem Eingang der Boxschule. Im härteste Profiboxcamp Deutschlands, wie es auf der hauseigenen Website vorgestellt wird, muss im Winter erstmal Holz gehackt werden, da das seit mehreren Jahren zum Verkauf ausgeschriebene Haus an der Berliner Straße nur mit alten Holzöfen beheizbar ist. Duschen gibt es keine. Der Putz bröckelt von den Wänden und die Sandsäcke sind notdürftig geflickt. Und was die restliche Einrichtung betrifft, so sieht diese auch eher wie vom Sperrmüll zusammengetragen aus. Beim Boxtraining hat nur einer das Kommando: der 46 Jahre alte Uwe Schuster, genannt „Commander“. Uwe Schuster, der bullige frühere Boxer, der während seiner Zeit auf der Kinder- und Jugendsportschule in Berlin zu den größten Talenten der DDR zählte, sieht sich aber auch in der Rolle des Sozialhelfers. „Hier können sich die Jungs entfalten und kommen nicht auf dumme Gedanken. Wenn sie Party machen wollen, dann hier.“ Während die Boxer im Innenhof ihre Liegestützen machen und mit Hanteln in den Händen Schattenboxen, dröhnt laute Hip-Hop-Musik aus dem Fenster im obersten Stock. Der Rapper Mastino hat für Schuster und seine Boxer ein Lied geschrieben, mit dem sie bei ihren Kämpfen zum Ring marschieren. Darin heißt es: „Das Ghetto schlägt zu, ich box mich aus dem Dreck. Gib mir nur eine Chance, und ich schmiede mein Glück.“  Text: Arne Leyenberg